[OLPC-DE] olpc-de Nachrichtensammlung, Band 29, Eintrag 20

[Markus Schüttler]

On Thu, 25 Mar 2010 05:39:55 -0400 wrote rwmoosdorf at aol.com:
> Re: [OLPC-DE] Ein Laptop gegen die Armut
>  
> Eine ganz ausgezeichnete Dokumentation, in der vor allem
> einHauptproblem angesprochen wird, mit dem ich immer wieder im
> Kontakt mitLehrkräften zu tun habe: Unser hiesiges Bildungsdenken ist
> in der Regel soausgerichtet, dass Wissen von der älteren Generation
> auf die Jüngereweitergereicht wird. Eigentliche Weiterentwicklung ist
> dann erst imErwachsenenalter erlaubt. Von Haus aus nimmt bei solcher
> Grundeinstellung derBildungsstand wegen der immer eintretenden
> Verluste  ab. Dass dabei trotzdem wirklich gelerntwird, ist eher
> einem „Systemfehler“ geschuldet. Gegen den Widerstand derälteren
> Generation suchen und finden Kinder neue Wege. Gelegentlich sogar
> inder Schule. Dem OLPC-Projekt liegt ein anderer Bildungsgedanke
> zugrunde:Dass nämlich Bildung sich entwickelt, indem die Jüngere
> Generation mehr Wissenund Erfahrung erlangt, als die ältere hatte.
> Was z.B. für einen Lehrer bedeutenkann, dass er das Programmieren von
> seinem Schüler lernt – ein Beispiel dazuist im Filmbeitrag
> angedeutet. Das System Schule muss sich also verändern, wenn
> esProjekten wie dem OLPC aufgeschlossen werden soll. Nicht von
> ungefähr nimmtdiese Entwicklung dort den Anfang, wo das System Schule
> noch am wenigstenentwickelt und zementiert ist. Diese Thematik
> spricht der Beitrag an – es kommtsogar zu einer
> Stellvertreterdiskussion, als in Kigali die Befürchtung geäußertist,
> ob sich der XO gegen die Lehrer richtet. 

FACK!

> Problematisch sehe ich bei
> der gesamten Dokumentation dieStelle bei 8:55: Da sagt das
> peruanische Mädchen: „Wenn ich den Laptop habe,springe ich nicht mehr
> mit dem Springseil. Dann habe ich mit meinem LaptopSpaß.“ (Wenn ich
> den spanischen Originaltext im Hintergrund richtig verstehesagt sie
> wörtlich: „… verbringe ich mehr Zeit mit ihm“). Obwohl hier eine
> wichtige Sache zur Sprache gebracht ist,die auch den Gegnern einer
> Bewegung, die Kinder mit Rechnern zusammenbringenwill, in die Hände
> spielt, bleibt diese Stelle ohne Kommentar. Ich denke, manmuss sich
> mit diesem durchaus guten Argument auseinandersetzen. Der vonmir
> erwartete Aufgriff der Thematik findet aber nicht statt. Stattdessen
> sieht man in der Schlussfrequenz den Drachen,der am Anfang fröhlich
> durch die Luft flog, traurig am Boden liegen, weil dasdazu gehörige
> Kind am Laptop sitzt. Hätte ich den Auftrag, die Botschaft
> desgesamten Films suversiv zu konterkarieren – ich hätte keine
> bessere Bildsprachewählen können. Genau wegen dieser Bildersprache
> halte ich den Film trotzder in ihm gefundenen sehr guten
> Darstellungen des Projekts für nicht empfehlenswert,wenn man OLPC
> einem offenen Publikum vorstellen möchte.
> 

Das sehe ich etwas differenzierter. Die Möglichkeit der Aneignung von
Bildung gleich zusetzen mit dem Verlust von Freizeitaktivitäten,
außerhalb von periodischen Zeitkontigenten wie Schule, führt in eine
systemische Sackgasse.

Die Verwaltung von Bildung über Lerninhalte bzw. konsequente Teilhabe
an Bildung über den Tellerrand von Schule hinaus, zeugt nicht
zwangsläufig von einer Verrohung der die Welt als Gesamtheit bzw.
Ganzheitlichkeit begreift. Westliche bzw. westeuropäische Relationen
hier als Vergleich aufzuzeigen, sind nicht sinnstiftend.

Hier obliegt in erster Linie die Auswahlmöglichkeit bzw. erstmal die
Möglichkeit als solche, überhaupt eine Wahl zu haben. Ein gutes
Beispiel hierfür ist die Aussage in dem Beitrag von Negroponte, dass
es viele Kinder auf dieser Welt gibt, die nicht über sauberes Wasser
verfügen, dass diese aber nicht eine Gegenposition darstellt, die
darüber entscheidet, ob Bildung zu vermitteln in einer Abwägung
disktiert werden sollte, dass sauberes Wasser wichtiger sei.

Meiner Meinung nach hat er damit vollkommen recht, da sich beide Themen
nicht widersprechen, sondern ergänzen bzw. eine gleiche Gewichtung
beanspruchen.

Gruss Markus
-------------- nächster Teil --------------
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