[OLPC.ch] Fwd: [OLPC-DE] Artikel in der SonntagsZeitung
Markus Gaelli
gaelli at emergent.de
Mon Apr 13 14:24:02 EDT 2009
Hab ihn im Wiki verlinkt.
Anfang der weitergeleiteten E-Mail:
> Von: Bert Freudenberg <bert at freudenbergs.de>
> Datum: 13. April 2009 11:37:48 GMT+02:00
> An: olpc-de-ML <olpc-de at lists.laptop.org>
> Betreff: [OLPC-DE] Artikel in der SonntagsZeitung
>
> http://www.sonntagszeitung.ch/home/artikel-detailseite-sda/?newsid=75178
>
> MIT EINEM KLICK AUS DEM ELEND
>
> Wie das Projekt «One Laptop per Child» in einem südafrikanischen Slum
> Kindern neue Chancen eröffnet
> Von Till Hein
>
> Es ist ein Uhr mittags. Noch viel zu früh. Doch die ersten Kinder von
> Kliptown warten schon vor der grossen Baracke. Gleich öffnet
> Sozialarbeiter Thulani Madondo die Tür zum Kinder- und Jugendklub des
> Townships am Rande von Johannesburg.
>
> 45 000 Menschen leben hier. Im Slum gibt es kein fliessend Wasser,
> keinen Strom. 70 Prozent der Bewohner sind arbeitslos, 25 Prozent HIV-
> positiv. Vielen Kindern bleibt nur das Stehlen. «Die Laptops sind
> unsere grosse Hoffnung!», sagt Madondo und öffnet die Türen der
> Baracke.
>
> Vor einem Jahr hat Madondos Jugendklub, das «Kliptown Youth Program»,
> 100 Notebooks aus den USA bekommen. Kostenlos. Stolz zieht Andisiwe,
> ein quirliges Mädchen mit Pippi-Langstrumpf-Zöpfen, eines dieser
> weiss-
> grünen Geräte aus der zerknitterten Plastiktüte. «Toll, nicht wahr?»,
> sagt sie, und streicht mit der Hand zärtlich über die Tastatur.
>
> Die Notebooks in Kliptown sind Teil einer grossen Mission: 2005
> gründete Nicholas Negroponte, Professor am renommierten MIT Media Lab
> in Boston, die Hilfsorganisation One-Laptop-Per-Child (OLPC). Sie
> verteilt Laptops an die ärmsten Kinder der Welt. Wenn man Negroponte
> glaubt, sind seine Computer Zaubermaschinen: Fachwissen,
> Lerntechniken, Teamfähigkeit, Selbstbewusstsein, Kreativität - all das
> sollen die Kinder dank ihnen selbstständig erwerben. Grosse Konzerne
> wie AMD, Ebay, Google oder Quanta Computer gehören zu Negropontes
> Partnern.
>
> Der Fussboden im Jugendtreff ist abgewetzt, die Neonröhre an der Decke
> herausgebrochen. Auf einem Pult türmen sich Laptops, darunter ein
> Kabelsalat mit vielen Dreifachsteckern. Es ist die Ladestation für die
> Notebooks. Die Kinder benutzen ihre PCs auch zu Hause, und die Akkus
> reichen nur für ein paar Stunden.
>
> In Madondos Jugendtreff sind die Laptops die Hauptattraktion. Man kann
> mit den weiss-grünen Kisten schreiben, rechnen, im Internet surfen,
> Musik herunterladen, Videos drehen, komponieren und zeichnen. «Die
> Kinder entdecken täglich weitere Möglichkeiten», schwärmt Madondo.
>
> Der ehemalige Automechaniker ist heute Netzwerkexperte
>
> Einige sitzen bereits vor den Bildschirmen. Amanda etwa, ein
> zierliches Mädchen mit grossen, neugierigen Augen, probiert gemeinsam
> mit ein paar Freundinnen ein Musikprogramm aus: Techno hämmert aus dem
> Lautsprecher, die Mädchen wippen im Takt. Andere Kinder rechnen: Auf
> einer Art Schachbrett sind auf dem Bildschirm Rechenaufgaben und
> Zahlen zu sehen. Wer bei «2 x 4» das Feld mit der «8» anklickt,
> bekommt einen Punkt. «Yeah!», ruft ein Junge begeistert. Wieder
> richtig!
>
> Früher, als er noch gewöhnliche Hausaufgabenbetreuung anbot, hielt
> sich der Andrang in Grenzen, erzählt Madondo. Aber dank der Computer
> habe sich sein Treff super entwickelt: Statt knapp 100 hat der Klub
> inzwischen 251 Mitglieder - und die Notebooks werden langsam knapp.
>
> Ob das Training mit den Laptops die Chancen der Kinder in
> Entwicklungsländern tatsächlich verbessert, sei bisher nie
> systematisch untersucht worden, sagt Madondo. Auch in Kliptown nicht.
> Für ihn steht der Erfolg des Notebook-Projekts dennoch ausser Frage:
> «Die Kinder sind selbstbewusster geworden, seit sie die Computer
> haben», erzählt er. «Und sie können sich länger konzentrieren.»
> Madondo glaubt, dass die Laptops helfen werden, den Lebensstandard im
> Slum zu verbessern. «Bisher ist mir zwar noch kein neuer Bill Gates
> unter den Jugendlichen aufgefallen», lächelt er. «Aber wir haben die
> Computer ja auch erst seit ein paar Monaten.»
>
> In einer Ecke der Baracke hat es sich Andisiwe mit zwei Freunden
> gemütlich gemacht. Mit Kennerblick tippt sie ein paar Tasten an. Dann
> beginnen die Kinder zu singen. Es ist ein trauriges Lied auf Zulu,
> eine der Stammessprachen in Südafrika. Die Kinder versuchen das Lied
> aufzunehmen. Jetzt presst Andisiwe ein Ohr an den Lautsprecher und
> strahlt. Stolz reicht sie ihr Notebook herüber: Leise zwar, aber die
> Melodie ist zu hören.
>
> Ab 15 Uhr dürfen die Kinder online gehen - eine der Hauptattraktionen.
> «Wir schalten das Modem bewusst erst am Nachmittag ein», erklärt
> Thulani Madondo. «Sonst würden morgens zu viele die Schule schwänzen.»
> Die meisten Kinder aus dem Jugendtreff kennen niemanden ausserhalb von
> Kliptown. Die mailen sich halt einfach gegenseitig. Andere tauschen
> sich auch mit Onlinefreunden in der Limpopo-Provinz aus, ganz im
> Norden Südafrikas. An eine dortige Schule wurden im Herbst ebenfalls
> 100 OLPC-Computer gespendet.
>
> Viele der Kinder wollen einmal so werden wie Neo Masilo. Der fröhliche
> 35-Jährige mit der Narbe quer über die linke Wange ist oft die letzte
> Rettung: immer dann, wenn der Internetserver mal wieder streikt.
> Eigentlich ist Masilo Automechaniker. Vor zehn Jahren lieh ihm jedoch
> ein Kumpel einen PC aus. «Hab ihn nie mehr zurückgegeben», erzählt er
> und grinst.
>
> Nächtelang sass er vor dem Computer, probierte alle Programme aus.
> Weil der PC häufig abstürzte, begann er sich für Wartung und Support
> zu interessieren. Mittlerweile ist er Netzwerkexperte und PC-Doktor.
> Neo hat das Modem wieder zum Laufen gekriegt. «Kann los gehen!», ruft
> er und zwinkert den Kindern zu: Bahn frei fürs Surfen!
>
> «Bisher ist kein einziger Laptop abhanden gekommen»
>
> OLPC-Gründer Negroponte träumte ursprünglich von 100 Millionen Laptops
> für arme Kinder. Aber vielen Regierungen in den Entwicklungsländern
> waren selbst die Billigcomputer zu teuer. Andere erklärten, sauberes
> Wasser und besser ausgebildete Lehrer seien viel wichtiger als
> tragbare Computer. Immerhin: 750 000 Stück sind mittlerweile in
> Lateinamerika, Asien, dem Mittleren Osten und Afrika verteilt.
>
> «Bisher ist uns kein einziger Laptop abhanden gekommen», sagt
> Sozialarbeiter Madondo stolz. «Aber bei zehn Geräten ist leider der
> Bildschirm zersplittert», fügt er verlegen an. Die Laptops überleben
> zwar selbst einen Sturz auf den Boden, aber anfangs hätten einige
> Kinder die Notebooks durch die Gegend geschleudert, wenn sie
> abstürzten.
>
> In der Bibliothek des Jugendtreffs - einige Holzregale, vollgestopft
> mit Märchenbüchern, Tier- und Seeräubergeschichten, Mathe-Büchern und
> Englisch-Kursen - haben sich ein paar Mädchen breit gemacht. Sie
> fläzen in den Sitzsäcken oder liegen bäuchlings auf dem Fussboden.
> Viele haben Bücher aufgeschlagen und tippen konzentriert in ihren
> Laptop.
>
> «Sie chatten», flüstert der Bibliothekar, ein Mittzwanziger in einem
> T-
> Shirt mit der Aufschrift «Dont kill yourself - skill yourself!». Und
> in der Tat: Die Mädchen tauschen sich über ihre Lektüre aus; berichten
> ihren Freundinnen, was den Helden der Geschichten gerade widerfahren
> ist.Er habe den Kindern erklärt, dass sie hier leise sein müssen,
> flüstert der Bibliothekar. «Genau wie in einer richtigen Bibliothek.»
>
> Später trommelt Thulani Madondo seine Schützlinge zusammen: «Laptops
> schliessen, Tische und Stühle zur Seite räumen!» Einige wollen erst
> nicht recht, müssen sich vom Bildschirm losreissen. Vor Einbruch der
> Dunkelheit schliesst der Jugendtreff. Es gibt keine
> Strassenbeleuchtung im Township, und einige Kinder müssen noch die
> gefährlichen Eisenbahngleise ohne Bahnschranken überqueren.
> Taschenlampen haben sie nicht.
>
> Amanda, das zierliche Mädchen, das so gerne Techno hört, trägt ihr
> Notebook sorgfältig im Plastikbeutel verpackt nach Hause. Immer
> geradeaus, der staubigen Hauptstrasse entlang, vorbei an
> Wellblechverschlägen und Müllbergen. Heute Abend wird sie ihren 17
> Geschwistern, Nichten und Neffen mal wieder PC-Unterricht geben.
>
>
> WoodWing
> Publiziert am 12.04.2009
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